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An den neun Hermann-Josef-Dienstagen im Jubiläumsjahr von Kloster Steinfeld geht es auch um die große Geschichte des geistlichen Ortes.

„Nein, damit habe ich nicht gerechnet!“ Pater Wieslaw, Pfarrer der GdG hl. Hermann-Josef Steinfeld, steht im Frühstücksraum und schaut verblüfft die dicht gefüllten Reihen der Steinfeld-Pilger an diesem Dienstagmorgen entlang. Es sind deutlich mehr als 100, 120 Frühstücke hat das fleißige Helferinnen-Team aus Mitgliedern des Pfarreirates samt Freundinnen eingedeckt. Doch der Platz wird dennoch knapp.

Auch im – nachgeholten – Jubiläumsjahr zum 900-jährigen Bestehen von Kloster Steinfeld finden die traditionellen Hermann-Josef-Dienstage statt, neun dieser Pilgertage sind es bis zum Fest des Namensgebers, das in diesem Jahr an zwei Tagen, dem 20. und dem 21. Mai in Verbindung mit der 900-Jahr-Feier begangen wird. Und obwohl eigentlich, so Pater Wieslaw, der Dienstag in der Karwoche eher immer schwach besucht sei, ist der Frühstücksraum im Jubiläumsjahr picke-packe voll.

 

Foto: Pater Wieslaw beim Pilgerfrühstück (MRE)

„Zu den Hermann-Josef-Dienstagen zu kommen, das ist für mich ein Stück Heimat“, meint Edith aus Wahlen. Das mache sie schon so seit ihrer Kindheit, denn die Pfarrei Wahlen gehörte schon immer direkt zu Steinfeld. Da war das Pilgern zur Basilika eine Christenpflicht, so die 80-Jährige. Bei schönem Wetter sei sie früher auch mal mit dem Fahrrad von Wahlen hinunter, dann die Anhöhe nach Steinfeld hinauf geradelt. Mittlerweile lässt sich Edith, die heute in Zingsheim lebt, mit dem Auto bringen, doch zurück geht es, wenn es das Wetter zulässst, per Pedes. Und das wie gewohnt möglichst viele der neun Hermann-Josef-Dienstage.

Edith wie Magdalena, die ihr am Tisch gegenübersitzt, sind typische Steinfeld-Pilgerinnen: Sie kommen aus dem Südteil des Kreises Euskirchen und sind deutlich Ü-50, so wie die meisten hier. Magdalena aus Engelgau ist schon „an die 30 Jahre“ dabei, wie die 72-Jährige schätzt. „Früher fuhr sogar noch ein Pilgerbus von Engelgau nach Steinfeld, doch das ist schon lange vorbei“, bedauert sie. Wie schon oft in den vergangenen Jahren, und wie viele der Pilgernden zum Grab des hl. Hermann-Josef in der Basilika, hat sie ein „Gebetsanliegen“ dabei: „Für meinen Pflegesohn, der heute die letzte Prüfung zum Abschluss seines Pharmaziestudiums hat.“

Bild: Mehr als 100 Pilgernde waren zum Hermann-Josef-Dienstag in der Karwoche nach Steinfeld gekommen. Für sie wurde nach der Heilige Messe das gemeinsame Pilgerfrühstock angeboten, auch für diese Pilgergruppe aus Münster (links: Pater Wieslaw von der GdG Steinfeld). Foto: Stefan Lieser

Erst die feierliche Heilige Messe, dann das gesellige gemeinschaftliche Pilgerfrühstück: So ist es in Steinfeld seit langer Zeit Tradition, die lediglich in den Corona-Jahren 2020 und 2021 unterbrochen war. In diesem Jahr ist aber dann doch etwas anders als sonst: In den „liturgischen Impulsen“, die anstelle der Predigt von Laien gesprochen wird, geht es an jedem der neun Dienstage bis zum Hermann-Josef-Fest um eines der neun Jahrhunderte aus der Geschichte des Klosters. In der Karwoche steht die Zeit zwischen 1321 und 1421 auf der Agenda 1321: Da bestand das Kloster schon 200 Jahre.

„Es ging den Äbten in diesem Jahrhundert wie der gesamten Kirche in erster Linie um Besitz und Geld“, so Gemeindereferentin Sigrid Lorse in ihrem Kurzvortrag in der Basilika. Vier glücklose Äbte seien in Folge abgesetzt worden oder zurückgetreten. Zudem wurde die Abtei 1388 in kriegerische Auseinandersetzungen weitgehend ausgeraubt und zerstört. Der damalige Abt als Geisel genommen. „Und da man das geforderte Lösegeld nicht bezahlen konnte, wurde er ermordet“, zitiert Lorse Quellen aus dem Steinfelder Archiv. 1412 habe sich nach der Klosterneugründung durch Gerhard III. von Wichterich, der 1402 die ehemaligen Besitzungen zurückgekauft hatte, der gewählte Abt Jakob von Rützheim um die Hebung der Disziplin innerhalb des Klosters bemüht. Das habe nicht allen gefallen, so Sigrid Lorse, „der Abt wurde vergiftet und starb am 20. August 1416.“

Bild: Unter anderem findet man hier die Gebeine von Godefried (Gottfried) Bungenberg, Abt in Steinfeld in der zweiten Hälfte des 14. Jh. und Jacob Rüdesheim (Rützheim), der am 20. August 1416 von Mitbrüdern wegen seiner strengen Vorstellung von klösterlichem Leben vergiftet wurde.

Solche Ausflüge in die große Steinfelder Historie mit viel Licht und auch Schatten machen es für die Pilgernden im Jubiläumsjahr zusätzlich interessant nach Steinfeld zu kommen, auch wenn es nur für einen einzigen der Hermann-Josef-Dienstage ist. Das gilt auch für jüngere Pilgernde wie Philipp, Meike, Anna und Oliver aus Krefeld. Die Vier sind erst Anfang 20, Messdiener an diesem Dienstagmorgen Anfang April in der Steinfelder Basilika, und mit einigen Freunden aus der GdG St. Bonifatius Kleve angereist.

Die Clique bildet auch die „Jugendband Maria Frieden“, benannt nach ihrer Heimatpfarrei und ist schon einen Tag zuvor angereist: „Wir nehmen uns in der Karwoche in Steinfeld eine dreitägige Auszeit, genießen das Beisammensein, sprechen gebet, haben Zeit für uns selbst“, so Philipp, der damit auch für die drei anderen spricht. Und obwohl sie erst 21 ist, sieht auch Anna den Sinn der wiederholten Fahrt nach Steinfeld so wie Edith und Magdalena aus Zingsheim und Engelgau: „Das ist schon ein Stück Heimat für mich geworden.“ (sli)

Bild: Junge Christen aus Kleve halfen Pater Wieslaw bei der Heiligen Messe am Hermann-Josef-Dienstag in der Karwoche als Messdiener. Foto: PW

 

Text: Stefan Lieser