Skip to main content
Übernahme mit freundlicher Genehmigung durch den  KölnerStadt-Anzeiger –
Ausgabe vom Samstag/Sonntag, 13./14. Mai 2023

Kloster Steinfeld wird im 19. und 20. Jahrhundert für verschiedene Zwecke genutzt
von Wolfgang Kirfel

Kall-Steinfeld. Mit der Auflösung des Klosters Steinfeld durch die Franzosen 1802 endet dort für mehr als 100 Jahre das klösterliche Leben. Die Preußen richten in der Anlage eine Erziehungs- und Besserungsanstalt für katholische Jungen und Mädchen ein. Erst 1924 gründen die Salvatorianer eine Niederlassung in Steinfeld und nutzen den Ort wieder für spirituelle Zwecke.

Die wechselvolle Geschichte der Anlage mit ihren verschiedenen Nutzungen, außergewöhnliche Ereignisse, die Schicksale einiger ihrer Bewohner und das Leben des in der Basilika beigesetzten heiligen Hermann-Josef werden in dieser Zeitung in loser Folge vorgestellt.

Zwischen 1843 und 1846 kauft der preußische Staat die meisten der von den Franzosen verkauften Liegenschaften des Klosters –insgesamt mehr als 18 Hektar – wieder auf. Anschließend beginnen die Umbauten für die Einrichtung einer Erziehungsanstalt, die 1853 mit 50 Jungen aus der ehemaligen Abtei Brauweiler eröffnet wird. „Ziel war es, dass die Kinder in Steinfeld einen Schulabschluss machten oder in einem Handwerk ausgebildet wurden“, erzählt Helmut J. Kirfel, der die Geschichte des Klosters erforscht. Die für die Ausbildungen benötigten Werkstätten stammen von den Prämonstratensern und werden von den Preußen übernommen.

Der Anstaltsdirektor soll in die alte Prälatur einziehen. Weil darin aber bislang der Pfarrer untergebracht ist, muss 1849 erst ein neues Pfarrhaus gebaut werden. 1873 brennen nach einem Blitzeinschlag in die Spitze der Vierungsturm und die benachbarten Dachpartien der Basilika. Erst elf Jahre später werden die umfangreichen Restaurierungsarbeiten abgeschlossen und das neue Westwerk mit einem erhöhten Mittelteil und zwei Rundtürmen fertiggestellt.

Um die Trinkwasserversorgung zu verbessern, wird 1879 an der Hermann-Josef-Quelle bei Urft eine Pumpstation gebaut.

Das Pfarrhaus (l.) wurde 1849 errichtet, weil der Pfarrer sein bisheriges Domizil in der alten Prälatur dem Direktor der preußischen Erziehungs- und Besserungsanstalt überlassen musste.

In den ersten 25 Jahren der Erziehungsanstalt wird das Trinkwasser per Fass und Pferdefuhrwerk nach Steinfeld gebracht.„Vorher bekam der Stift das Wasser lange Zeit aus Wahlen. Es gab eine mittelalterliche Druckleitung aus konisch geformten, ineinandergesteckten Bleirohrstücken“, sagt der Historiker. Damit nicht zu viel Wasser verloren ging, musste sie oft repariert werden.

„Im Ersten Weltkrieg wurde die Erziehungsanstalt ausgedünnt, weil sich viele Jungen freiwillig an die Front meldeten“, erklärt der Historiker. „Die Anstalt war zu der Zeit aber auch nicht mehr auf dem neuesten Stand“, weiß Kirfel.

1916 dürfen sich Ordensschwestern der Salvatorianern unter der Bedingung in der Erziehungsanstalt niederlassen, dass sie sich auf die Leitung des hauswirtschaftlichen Betriebs und die Lazarettpflege beschränken. Anfang Dezember 1923 übernehmen Salvatorianer die Steinfelder Pfarrei und gründen eine Niederlassung (Kolleg). Zum Jahresende wird die Erziehungsanstalt geschlossen.

Dieses Bild zeigt eine Szene aus dem Alltag der Erziehungsanstalt. Die beiden Türme der Basilika im Hintergrund haben noch nicht die runden Aufbauten.
Repro:H.J.Kirfel

An Pater Jordan, Gründer der Salvatorianer, wird auf der Klosteranlage mehrfach erinnert.

Die Fahne der Königlichen Erziehungsanstalt Steinfeld ist noch erhalten.
Foto: H.J.Kirfel

Am 1. April 1924 schließen die Salvatorianer dann einen Pachtvertrag über 30 Jahre ab, obwohl die Gebäude einschließlich der Basilika ziemlich heruntergekommen sind. Für die Ausbildung des Ordensnachwuchses werden Ende Mai eine Schule und ein Jungeninternat eröffnet. Im gleichen Jahr beginnen um- fangreiche Renovierungsarbeiten, die bis 1938 andauern. Die Dächer der Kirche werden saniert, die Deckenmalereien freigelegt und unter anderem die historische König-Orgel von 1727 restauriert.

„Während viele andere Klöster und Seminare enteignet oder geschlossen wurden, ließen die Nazis die Patres in Steinfeld weiterarbeiten“, erzählt Kirfel. Auch die 1939 schon angeordnete Räumung des Klosters konnte verhindert werden. Die Schule wurde aber an Ostern 1940 geschlossen, die offizielle Wiedereröffnung erfolgte 1945 mit Genehmigung der britischen Besatzungsbehörde. Von 1924 an gab es auch ein Internat, das erst 2012 wegen mangelnden Zuspruchs geschlossen wurde.

Zwischen 1939 und 1941 sind bis zu 1000 Westwallarbeiter in der Klosteranlage untergebracht. Für eine kurze Zeit zieht dann das Priesterseminar von Aachen ein, ehe von 1941 bis 1944 das Waisenhaus Köln-Sülz mit bis zu 610 Kindern und Be- treuungspersonal einquartiert wird. 1945 kehrt das Waisenhaus zurück nach Steinfeld und bleibt bis 1953.

Im Oktober 1944 richtet die Wehrmacht in dem Kloster ein Feldlazarett ein. Ende des Jahres rückt noch eine Sanitätseinheit der Waffen-SS ein. Die Schwesternchronik berichtet, dass alle paar Tage Leichen auf Viehwagen zum heutigen Soldatenfriedhof gebracht und dort in Massengräbern beigesetzt werden. Da sich das Kloster immer noch in Staatseigentum befindet, werden dort nach dem Krieg von Ostern 1945 bis zum Herbst des Folgejahrs der Landrat und die Kreisverwaltung Schleiden untergebracht.

„Weil die Salvatorianer nach dem Krieg großen Zulauf haben, kaufen sie 1956 die Anlage“, berichtet der Historiker. Die Patres setzen zunächst das fort, was sie bereits vor dem Krieg getan hatten, und unterstützen über die Pfarrei Steinfeld hinaus die Seelsorger der Umgebung.

Im Jahr 1956 leben nach Angaben des ehemaligen Schulleiters Pater Hermann Preußner 28Patres, 24 Brüder, vier Brüderno- vizen, zwei Bruderkandidaten und etwa acht Schwestern in Steinfeld. Die Brüder sind Hand- werker, die keine Priesterweihe haben. Im gleichen Jahr wird auch ein zweites Kloster mit Benediktinerinnen aus Belgien gegründet, die spätere Abtei Maria Heimsuchung.

Seitdem ist die Klostergemeinschaft kontinuierlich geschrumpft. Gab es im Jahr 1983 noch 22 Patres, 15 Brüder und vier Schwestern, waren es 2011 nur noch elf Patres, fünf Brüder, und vier Schwestern. Aktuell sind es noch acht, von denen vier älter als 80 Jahre sind, und drei Schwestern. 2022 bezogen die Schwestern der Trappistinnenabtei Maria Frieden von Dahlem das leerstehende und renovierte Abteigebäude, nachdem die Benediktinerinnen 2019 nach Bonn umgezogen waren.

„Wegen der sinkenden Zahl der Salvatorianer und der Überalterung aufgrund des mangelnden Nachwuchses hätte das Kloster schon vor Jahren auf wirtschaftlichen Gründen aufgeben werden müssen. Die verantwortlichen Mitbrüder fanden um 2015 dann durch die Partnerschaft mit der Familie Scheidtweiler ein Trägermodell, das den Erhalt des Klosters sichert, die Weiterentwicklung des Gästehauses und der Wirtschaftsbetriebe, des Klostercafés und der beiden Gaststätten vorantrieb“, erinnert sich Pater Hermann Preußner. Das neue Unterneh- men richtet auf Grundlage eines Erbbaurechtsvertrages in dem um die ehemaligen Internatsge- bäude erweiterten und von Grund auf renovierten Gästehaus ein Hotel mit Tagungsstätte ein. „Die acht Salvatorianer und drei Salvatorianerinnen arbeiten dankbar in diesem Trägermodell mit. Die Schwestern sind tätig an der Pforte und im Gästehaus“, erzählt Pater Hermann Preußner. Die älteren Mitbrüder würden die Jüngeren unterstützen und Gespräche für Gäste anbieten oder Aushilfstätigkeiten ausführen. Die Jüngeren seien in Schule, Seelsorge und im Hause aktiv.

2016 werden nach zehn Jahren die Renovierungs- und Sicherungsarbeiten am Westwerk der Basilika abgeschlossen. Von 2018 bis 2022 werden die Dächer und Fassaden der Kirche instandgesetzt.

Das Gymnasium Hermann- Josef-Kolleg feiert im kommenden Jahr sein 100-jähriges Bestehen. 1961 hatten dort die ersten elf Abiturienten ihr Reifezeugnis erhalten. Zehn Jahre später wurde die Koedukation eingeführt. Die Schule wird in der Folge durch Anbauten zum Beispiel für die Aula und das Schwimmbad mehrfach vergrößert. Aktuell hat das Kolleg 735 Schüler und rund 50 Lehrer.

Über ein besonderes Jubiläum kann sich Pater Wieslaw Kaczor freuen: Er ist seit mehr als 25 Jahren Pfarrer von Steinfeld und hat damit die längste Amtszeit, die aus der 900-jährigen Geschichte des Klosters überliefert ist.

Text und Bild (soweit nicht anders vermerkt): Wolfgang Kirfel – Kölner Stadtanzeiger