Übernahme mit freundlicher Genehmigung durch den KölnerStadt-Anzeiger – Ausgabe vom Donnerstag, 4.Mai 2023
Barocke Umgestaltung der Steinfelder Klosteranlage – Napoleon besetzt das Rheinland
von Wolfgang Kirfel
Kall-Steinfeld. Wohl kaum eine Epoche hat das Erscheinungs- bild der Steinfelder Klosteranla- ge so verändert wie der Barock. Die romanische Klosterkirche bekommt ein neues Aussehen, mehrere neue Gebäude werden im Stil der Epoche errichtet. Doch kurz nach der Fertigstel- lung der letzten barocken Bau- maßnahmen besetzen die Fran- zosen das Rheinland, enteignen Stifte, Abteien und Klöster. Auch Steinfeld bleibt dieses Schicksal nicht erspart. Die Liegenschaften des Klosters werden verkauft, die Chorherren übernehmen die Seelsorge in Pfarreien in der Umgebung.
Die wechselvolle Geschichte der Anlage mit ihren unter- schiedlichen Nutzungen, außergewöhnliche Ereignisse, die Schicksale einiger ihrer Bewohner und das Leben des in der Basilika beigesetzten heiligen Hermann-Josef werden in dieser Zeitung in loser Folge vorgestellt.
„Im Jahr 1660 beginnt die Barockisierung der Steinfelder Klosteranlage mit der Errichtung eines neuen Gebäudes“, erzählt Helmut J. Kirfel, der die Geschichte des Stifts intensiv erforscht hat. Erst gut 20 Jahre später wird mit der Umgestaltung der Klosterkirche begonnen. Der Hochaltar mit den Reliquienkäs- ten und die vier Seitenaltäre werden eingebaut. Den Zuschlag für den Bau der neuen Orgel mit 29 Registern erhält wahrscheinlich Balthasar König aus Bad Münstereifel. Aus der Zeit des Barock stammen auch der neue Sarkophag aus Urfter Marmor für den heiligen Hermann- Josef und die Liegeskulptur aus Alabaster, die 1732 fertiggestellt wurde. „Die Wände der Kirche wurden damals weiß gestrichen und selbst die spätgotischen Deckenmalereien überputzt und übermalt“, erzählt Kirfel. Erst 1930 wird der Putz wieder abgenommen. Die Motive in den Bögenausmalungen zu den Seitenschiffen stammen dagegen nach Angaben von Kirfel aus der Renaissance.
Darüber hinaus gibt es in der Anlage eine rege Bautätigkeit. Zuerst entsteht 1660 ein Haus zur Beherbergung von Gästen, später alte Prälatur genannt.
1738 wird das Hauptgebäude der Drei-Flügel-Anlage fertigstellt, rund 30 Jahre später der letzte Trakt, die neue Prälatur. Zwi- schen 1768 und 1779 werden die dazugehörigen Wirtschaftsgebäude errichtet. „Als letztes Bauvorhaben im Barockstil werden 1789 die Haupteingangstoranlage und die Umfassungsmauer fertiggestellt“, erklärt der Historiker.
Goldene Pracht: der barocke Hochaltar in der Klosterkirche.
Die Reliquienkästen wurden in Zu- sammenhang mit dem Hochaltar errichtet.
Die Deckenbemalungen aus der Spätgotik wurden im Barock unter Putz verborgen.
Außerdem vergrößert das Kloster in der Zeit auch seine Ländereien. 1715 wird die Unterherrschaft Wildenburg für 40 000 Reichstaler gekauft. Der Steinfelder Abt ist dadurch Lehnsmann des Herzogs von Jülich. Die Klostergemeinschaft erlebt im 18. Jahrhundert ebenfalls eine Blüte. „Am 28. Oktober 1750 legten sechs neue Chorherren ihre Profess ab. Damit erreichte deren Zahl den Höchststand von 105“, weiß Kirfel.
„1794 tauchen dann die Franzosen zum ersten Mal in der Gegend auf. Abt Gilbert Surges flüchtet nach der Besetzung der Rheinlande mit 24 Chorherren auf die rechte Rheinseite“, berichtet der Historiker. Ein Jahr später erlauben die französischen Besatzer seine Rückkehr.
1802 heben die Franzosen die Klöster und Stifte mit wenigen Ausnahmen auf. Deren Mitglieder müssen ihre Einrichtungen verlassen. „Wenn sie vom rechten Rheinufer stammten, erhielten sie ein Reisegeld und wurden aus dem französischen Gebiet ausgewiesen. Wenn sie aus dem Linksrheinischen stammten, erhielten sie eine kleine Staatspension“, berichtet Kirfel. Die meisten männlichen Ordensangehörigen übernahmen Stellen als Pfarrer in Kantonalpfarreien oder als Hilfspfarrer in Filialkir- chen. In Steinfeld wird der Aufhebungsbeschluss am 26. Juli vollzogen. Zu der Zeit hat das Kloster noch mehr als 80 Chorherren. Damit endet vorerst eine jahrhundertealte Tradition klösterlichen Lebens an dem Ort.
Die Orgel mit 29 Registern wurde von Balthasar König aus Bad Müns- tereifel 1727 vollendet.
„In Steinfeld gab es fast nur Priester, von denen viele Seelsorgestellen in der Region übernahmen“, sagt Kirfel. Abt Surges kümmert sich bis 1805 als Pastor um die Kirchengemeinde St. Potentinus Steinfeld. Weil deren Gotteshaus, die kleine Kirche St. Andreas, heruntergekommen ist, wird sie ab 1804 abgerissen und die Klosterkirche zur neuen Pfarrkirche.
Zwischen 1803 und 1807 werden die Klosterliegenschaften größtenteils an den Müller Hermann Josef Römer und seinen Bruder, den Landwirt und späteren Bürgermeister Michael Heinrich Römer, beide aus Urft, veräußert. Am 19. Februar 1807 erwirbt der Hüttenwerksangestellte Jakob Heinrich Mertens aus Dalbenden weitere Abteigebäude und 125 Hektar Land. Er handelt im Auftrag eines Käuferkonsortiums um den Steinfelder Thomas Klinkhammer und vier weitere Hüttenmeister, die auf dem Gelände ein Hüttenwerk bauen wollen.
Zwischen 1843 und 1846 erwirbt der preußische Staat die meisten ehemaligen Liegenschaften des Klosters und beginnt mit dem Umbau, um dort eine Erziehungsanstalt für Jungen und Mädchen einzurichten.
Das Ensemble mit der alten (r.) und neuen (l.) Prälatur sowie dem Hauptgebäude wurde in der Barockzeit errichtet.
Text und Bild: Wolfgang Kirfel – Kölner Stadtanzeiger