Übernahme mit freundlicher Genehmigung durch den KölnerStadt-Anzeiger –
Ausgabe vom Dienstag,16.Mai2023
Hermann Josef wird seit Jahrhunderten in Steinfeld verehrt – Gottesmutter erschien ihm am Hochaltar
von Wolfgang Kirfel
Kall-Steinfeld. Er wird in Steinfeld wie kein Zweiter verehrt: der heilige Hermann Josef. An vielen Stellen der Klosteranlage ist er als Bild oder Statue gegenwärtig. Sein Sarkophag mit der prächtigen marmornen Grabplastik ist der Blickfang im Mittelgang der Basilika. Doch vieles, was seine Person und sein Leben betrifft, liegt im Dunkeln. „Deshalb weiß auch niemand genau, wann er geboren oder gestorben ist. Die zahlreichen kursierenden Angaben sind widersprüchlich, teils nachweislich falsch, auf jeden Fall aber unbelegt“, betont Helmut J. Kirfel, der die Geschichte der Klosteranlage und des Heiligen erforscht hat.
Mit dieser Folge endet die fünfteilige Serie, in der die wechselvolle Geschichte der Klosteranlage mit ihren verschiedenen Nutzungen, außergewöhnliche Ereignisse, die Schicksale einiger ihrer Bewohner und das Leben des heiligen Hermann Josef vorgestellt wurden.
„Über den Steinfelder Chorherren Hermann aus Köln gibt es nur sehr wenige Informationen. Wir wissen noch nicht einmal, wie er ausgesehen hat“, erzählt Kirfel. Anhand der Knochen habe man lediglich nachweisen können, dass er mehr als 1,80 Meter groß war. Nur eine einzige Information ist laut Kirfel wirklich verlässlich: „Hermann wurde in Köln am Rhein geboren.“
Zwar gibt es eine Vita und der Schreiber erwähnt auch, dass er Hermann noch selbst gekannt habe: „Aber diese Vita ist keine Biografie, sondern die Beschreibung eines idealen Heiligen.“ Hermann soll als Sohn einer verarmten Familie um 1150 in Köln geboren sein. Laut Vita hat er damals schon mehrere Jahre als fleißiger und guter Schüler Unterricht erhalten und war für seine kindliche Frömmigkeit und seinen braven Charakter bekannt. Schon in dieser frühen Zeit habe er seine besondere Zuneigung zur Gottesmutter ausgebildet und mit ihr im Gebet gesprochen.
Dass er bei seiner Aufnahme in Steinfeld noch so jung war, soll für Irritationen in dem Stift gesorgt haben. Deshalb sei er zur weiteren Ausbildung und zum Studium nach Friesland geschickt worden. Nach seiner Rückkehr wird er laut seiner Vita in Steinfeld mit einem älteren Mitbruder zum Dienst im Speisesaal eingeteilt. Aber mit diesem niederen Dienst habe er sich schwergetan. Von der Gottesmutter selbst sei er dann belehrt worden, dass es keine größere Verpflichtung gebe, als den Mit- brüdern in Liebe zu dienen. Deshalb habe Hermann die klösterlichen Tugenden der Demut und des Gehorsams intensiv gelebt.
Die marmorne Grabplastik auf dem Sarkophag stammt aus dem Jahr 1732.
Nach seiner Priesterweihe sei ihm dann der Dienst als Sakristan an der Stiftskirche übertragen worden, den er mit großer Hingabe versehen habe. Weiter wird von seiner Marienfrömmigkeit, seiner tiefen Verehrung der Eucharistie, seiner mystischen Versunkenheit und Verzückung vor allem während des – sich dadurch endlos hinziehenden – Messopfers und von seinem Seelsorgeeifer besonders in den Frauenklöstern der Umgebung berichtet. Seine besonders stark ausgeprägte Marienfrömmigkeit und seine mystische Vermählung mit der Gottesmutter hätten dafür gesorgt, dass er den Beinamen „Josef“ erhielt, der damals als Vorname unüblich war. „Er ist mit dem Beinamen anfangs aufgezogen worden“, ist sich Kirfel sicher.
Während eines vorösterlichen Seelsorgeaufenthaltes in einem Zisterzienserinnenkloster in Hoven bei Zülpich soll der hochbetagte Hermann dann am Donnerstag der Osterwoche nach kurzer Krankheit in „vorbildhafter Gottergebenheit und bereits im Ruf der Heiligkeit heimgegangen“ und zunächst auch dort, an einem von ihm kurz zuvor selbst bezeichneten Platz, beigesetzt worden sein. Wann das war, ist nicht genau überliefert. Die Vita gibt nur den Hinweis, dass Hermann den gewaltsamen Tod des Kölner Erzbischofs Engelbert von Berg im Jahre 1225 etwa vier Wochen vorher prophezeit hat. Demnach müsste er also nach 1225 gestorben sein.
Das Altarbild in der Basilika zeigt die mystische Vermählung mit Maria.
Mit Unterstützung des Kölner Erzbischofs gelang es den Steinfelder Mitbrüdern, Hermann noch am Pfingstdienstag desselben Jahres zu exhumieren und in einer triumphalen Prozession in sein Heimatstift zu überführen, wo zahlreiche Menschen auf ihr Flehen um Fürbitte an seinem Grabe hin Wunderheilungen erfuhren. Diese Überführung bildet den Anfangspunkt der Bemühungen, Hermann Josef offiziell als „Heiligen“ anerkennen zu lassen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ab 1628 bemühen sich der Prämonstratenserorden, der Erzbischof von Köln und der Kaiser in Wien erstmalig um die päpstliche Heiligsprechung. „Doch in den Wirren des 30-jährigen Krieges gehen Akten verloren“, sagt Kirfel.
100 Jahre später wird dann Papst Benedikt XIII. von den Prämonstratensern dazu bewogen, in ihrem Kolleg in Rom nicht nur einen Altar zu Ehren des seligen Hermann Josef von Steinfeld zu weihen, sondern an diesem Altar auch das Messopfer zu zelebrieren. Dies war für viele Zeitgenossen und auch für manch anderen in späterer Zeit eine Handlung, die der förmlichen Seligsprechung gleichkam.
„Danach passierte lange Zeit nichts mehr. Erst 1896 wird der Heiligsprechungsprozess wieder aufgenommen“, erklärt der Historiker. Wegen des Ersten Weltkrieges wird das Verfahren aber wieder unterbrochen.
„1930 wurde dann das Bistum Aachen wiedererrichtet. Das hatte außer Karl dem Großen noch keinen Heiligen“, erzählt Kirfel. Deshalb habe Prälat Dr. Joseph Brosch vom Bischof den Auftrag erhalten, die Heiligspre- chung für Hermann wieder voranzutreiben. Papst Pius XII. erteilt dann 1938 der römischen Ritenkongregation die Weisung, den Prozess wieder aufzunehmen. Wegen des Zweiten Weltkrieges wird das Verfahren aber anschließend wieder einmal zurückgestellt und erst 1947 fortgesetzt. Am 11. August 1958 unterzeichnet der Papst dann ein Dekret, das es erlaubt, Hermann Josef von Steinfeld als Heiligen zu verehren: „Weil Papst Pius danach stirbt, wird das Dekret erst 1959 veröffentlicht.“
Kirfel macht auf noch auf eine Besonderheit aufmerksam: „Hermann Josef ist einer von wenigen Heiligen, die mit dem Jesuskind auf dem Arm dargestellt werden.“ Der Grund: Er hatte seinem Vitenschreiber von einer Vision erzählt, wonach ihm in einer Gebetsunterbrechung die Gottesmutter mit dem Jesuskind auf dem Arm erschienen sei. Sie habe auf dem Hochchor vor dem Hochaltar gestanden. Maria habe ihn zu sich gerufen, worauf er sie voller Verlangen darumgebeten habe, das Jesuskind halten zu dürfen. Daraufhin habe sie ihm dann das Kind in die Arme gelegt.
„Am häufigsten wird der heilige Hermann Josef als Knabe dargestellt, der dem Jesuskind seinen Apfel als Gabe hinhält, oder als Prämonstratenserchorherr mit weißer Tunika, Überwurf und Kapuze“, erzählt der Historiker. Ein Schlüssel am Gürtel weist auf seinen Dienst als Sakristan hin.
Eine Figur des heiligen Hermann Josef ist auch auf dem Hochaltar in der Kirche zu sehen.
Text und Bild (soweit nicht anders vermerkt): Wolfgang Kirfel – Kölner Stadtanzeiger